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Lebensstil und Medizin - was unter den Teppich gekehrt wird, Gesellschaft der Ärzte

Lebensstil und Medizin - was unter den Teppich gekehrt wird


Das Thema wird in den letzten Tagen diskutiert. Bei den Alpbacher Gesundheitsgesprächen waren die Standpunkte zu Functional Food so wenig aussagekräftig wie viele öffentliche Kommentare zur gesunden Ernährung: „Sicherheit und Wirksamkeit abklären“, „Verbraucher sind nicht optimal informiert“ oder „eine faire und sichere Versorgung muss gewährleistet sein“, hieß es dort. Der Bruder des Musikers Herbert Grönemeyer, ein Orthopäde, preist gerade sein neues Buch über Ernährung an. Natürlich in einer Weise, dass man sich nicht mit den einflussreichen Lobbys anlegt und alle in unserem friedliebenden Europa happy sind.

Wahr ist, dass die nötige Änderung des Lebensstils so gut wie allen einflussreichen Lobbys nicht in den Kram passt. Die Eröffnung von Supermarktketten in einem bis dahin rückständigen Land korreliert zeitlich mit dem Anstieg von Zivilisationskrankheiten. Nahrungsmittelkonzerne sind noch nicht gefragt worden, ob sie mit ihren subtilen Werbemethoden - es fällt einem die als gesund angepriesene Kindermilchschnitte ein - nicht ähnlich schaden wie mit denen für Zigaretten. Andererseits: machtvolle Befürworter eines alternativen Lebensstils predigen vegane Kost als gesund. Sie übersehen die Gefährdung, kürzlich beobachtet bei einem, der es hundertprozentig ernst nahm und an einer durch vegane Mangelernährung ausgelösten funikulären Myelose mit schweren Lähmungen erkrankt ist.

Für medizinische Argumente Gehör zu finden, ist bei Sport- und Ernährungsthemen schwierig. So spielen medizinische Argumente gegenüber wirtschaftlichen Interessen kaum eine Rolle, wenn es darum geht, mit einfachen Änderungen des Reglements die Gesundheit der Sportler zu schützen. Prof. Kurt Widhalm ist in jeder Hinsicht recht zu geben, wenn er kürzlich in der „Presse“ schreibt: „Mit ganz wenigen Ausnahmen verharrt die österreichische Lebensmittelindustrie noch in der Nachkriegszeit: Es wird produziert, was das Zeug hergibt, und das muss dann auch verkauft werden (z. B. Fleisch).“ Die Ärzteschaft sollte daher ihren gesellschaftspolitischen Auftrag deutlicher artikulieren, andererseits die Öffentlichkeit auch medizinische Argumente stärker berücksichtigen. Sonst werden wir wie Generationen vor uns, bei der Bekämpfung von Zivilisationskrankheiten substantielle Ziele nicht erreichen. Damals gelang es nicht, den Gefahren des Nachkriegswohlstandes erfolgreiche Therapiekonzepte entgegen zu setzen.

Konrad Lorenz sagte in einem seiner letzten Interviews: „Hüten Sie sich vor den Lobbys!“ Übertragen für Lebensstilmedizin: sog. liebevolle Gewohnheiten nicht nur zu hinterfragen, sondern durch wissenschaftlich fundierte Präventions- und Therapiemaßnahmen zu modifizieren. Was dies konkret bedeuten kann, zeigt ein Blick in die Geschichte: Die in den sechziger Jahren gestartete Kariesprophylaxe war erfolgreich. Die Lösung des eigentlichen Problems, warum Karies in den Zivilisationen vermehrt auftrat, nämlich Getreideanbau und später industriell gefertigten großen Zuckermengen, ist nach wie vor offen.

Zum Thema passt der Film „Rendezvous unter dem Nierentisch“, eine knapp 30 Jahre alte Realsatire zusammen getragen aus Werbefilmen der fünfziger Jahre.

Das Billrothhaus lädt zur Veranstaltung „Fisch oder Fleisch“ am Mittwoch 29. Oktober 2014, 19.00 Uhr s.t.
Univ.-Prof. Dr. Franz Kainberger

Text:
Univ.-Prof. Dr. Franz Kainberger
(Präsident der Gesellschaft der Ärzte)