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Big data – big problem für digitale Analphabeten, Gesellschaft der Ärzte

Big data – big problem für digitale Analphabeten


In der Medizin eröffnet das Sammeln, Analysieren und Visualisieren riesiger Datenmengen neue und vor allem schnellere Möglichkeiten. Beim Weltwirtschaftsforum 2012 in Davos wurde Big Data als neues Asset diskutiert, ähnlich wie Gold. Seit kurzem findet einmal jährlich eine Big Data Week statt. Die Sorge ist allerdings nicht unberechtigt, dass wir diese Technologie nicht beherrschen – wie beim Autofahren. Den Umgang mit sensiblen medizinischen Daten werden wir rasch lernen müssen, schon allein, weil der explodierende Wissenszuwachs uns vor sich her treibt, so Samuel Arbesman in seinem Buch „The Half-Life of Facts“. Noch vor zwei Jahren musste man den Begriff Big Data, um seine Definition zu verstehen, googlen.

Gerade bei medizinischen Daten ist das Spannungsfeld zwischen dem Schutz der Einzelperson und dem Gemeinwohl besonders groß. Von einem Ausgleich dieser zwei Interessen sind wir heute noch meilenweit entfernt. Eine ethische Diskussion ist nötig. Martin Bobrow von der Universität Cambridge forderte kürzlich in „Nature“ ernsthafte Sanktionen gegen Datenmissbrauch.

Woran es wirklich hapert, ist unsere Sorglosigkeit. Da ist einmal der tüchtige Oberarzt, der den Knick seiner Karriere erst versteht als ihm hinterbracht wird, dass jeder von seinen Jahre zurück liegenden Depressionen sprechen würde. Kurt Tucholskys Beschreibung, der Mensch sei „nackter als im Sonnenbad“ passt hier im übertragenen Sinn. Es ist aber andererseits die Datenschutzkommission, die eine 40-seitige Richtlinie zur Regelung der Datenweitergabe erarbeitet, in der – sagen wir es kurz – alles mehr oder weniger verboten ist. Dazu kommt dass die Technologie nicht ausgereift ist: Will man als Arzt Patientendaten verschlüsseln, funktionieren viele dieser Software-Produkte fehlerbehaftet. All dies passiert tagtäglich unter uns digitalen Analphabeten.

Es fehlt, was im Englischen als digital Literacy (Digitalkompetenz) bezeichnet wird. Womit nicht nur das Rechnen in Peta-, Zetta- oder Yottabyte gemeint ist, sondern das kritische Denken im Umgang mit Daten. Aus diesem Blickwinkel ist die elektronische Gesundheitsakte (ELGA) vor allem Fluch, kaum Segen.

Der Fluch von Eingriffen in die Privatsphäre durch die Abfrage medizinischer Daten lässt sich nicht schönreden. Mindestens so problematisch ist, dass durch Überregulierung medizinische Forschung gekillt oder zumindest verzögert wird. Offener formuliert: gewidmete Steuergelder in den Sand gesetzt oder Hoffnungen auf neue Therapien zerstört werden. Außer ein Forscher kann sich die Administration zum Überwinden bürokratischer Hürden finanziell leisten bzw. bewältigt sie in der eigenen Freizeit oder mit Hilfe junger Dissertanten.

Ein Segen wird Big Data, wenn aus Daten Wissen generiert wird und der personalisierten Medizin mittels computerassistierter Diagnostik zugutekommt. Wenn wir „den Umgang mit Menschen“ erlernt haben, so der Titel des Buches von Adolph Freiherr von Knigge aus dem Jahr 1790. Und wenn wir uns vom totalitären Denkansatz gelöst haben, wie die NSA oder die Stasi alles zu sammeln, was man kriegen kann.

Videos zum Thema „Medizinische Sammlungen“ und Big Data unter www.billrothhaus.tv . Die Gesellschaft der Ärzte, die eine der größten medizinischen Privatbibliotheken Europas betreibt, hat im Rahmen des EU-Projekts KHRESMOI eine medizinische Suchmaschine mit entwickelt, die anonymisierte Ergebnisse liefert und als Betaversion genutzt werden kann. Jetzt testen >>

Univ.-Prof. Dr. Franz Kainberger

Text:
Univ.-Prof. Dr. Franz Kainberger
(Präsident der Gesellschaft der Ärzte)