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Prävention – über Jagdlust und Stigmatisierung, Gesellschaft der Ärzte

Prävention – über Jagdlust und Stigmatisierung

Ein Journalist einer österreichischen Tageszeitung hat mir einmal erzählt: Gesundheitsthemen medial zu transportieren ist leicht: in jeder Wochenendbeilage etwas über Diät und etwas über Sport, das lesen die Leute. Das ewige schlechte Gewissen bewegt unsereins. Man kann aber auch fragen: Warum ist der Medizin in den letzten hundert Jahren bei der Gesundheitsprävention so wenig gelungen? Denn unbestritten ist, dass wir uns nach den Siegen über die großen Seuchen die Zivilisationskrankheiten als moderne Epidemien eingehandelt haben.

Einige präventive Maßnahmen wie die Krebsfrüherkennung und die Raucherkampagnen haben sehr wohl erfolgreich gegriffen. Dass engagierte Ärzte in den siebziger Jahren von Politikern medial hingerichtet wurden bzw. die Tabakindustrie für sie Detektive anheuerte (vielleicht könnte man ihn mit einer Freundin erpressen) – das ist heute nach 40 Jahren Präventionsarbeit kaum mehr vorstellbar. Chapeau! Diese Präventivmediziner haben Großartiges geleistet. Sie haben nicht nur Programme wie die Brustkrebsvorsorge initiiert, bei der Österreich teilweise international führend war, sondern auch ein Umdenken ausgelöst.

Umdenken ist auch weiterhin gefordert. Vor allem interdisziplinäres Denken, wie es am Beispiel der Predation gezeigt werden kann. Das Wort wird im Deutschen kaum verwendet und bezeichnet in der Biologie die ökologischen Beziehungen zwischen dem Raubtier (Prädator) und seiner Beute. Schottische Physiologen haben den Begriff in die Humanmedizin eingeführt, um die Komplexität unseres Ernährungsverhaltens mit genetischen und umweltbedingten Faktoren zu beschreiben. Vereinfacht: Das genetisch programmierte Raubtier Mensch lässt sich durch eine Diät nicht gängeln. Wie komplex unser archaisches Verhalten gesteuert ist, zeigt der Krieg: Der im Wortsinn berauschende Sieg Radetzkys über Kossuth im Revolutionsjahr 1848 ging nahtlos in großes Gelage über und wurde mit Bier begossen. Prävention braucht ein holistisch und interdisziplinär gestaltetes Bündel vieler Maßnahmen, wenn wir die menschlichen Gewohnheiten ändern wollen.

Das professionelle Umgehen mit dem therapeutischen Nihilismus (dem Vorurteil, etwas sei nicht behandelbar) ist ein anderer Aspekt, bei dem Umdenken nötig ist. Abhängige von ihrer Sucht wegzubekommen ist immer schwierig. Die Aussichtslosigkeit die Patienten durch Bemerkungen spüren zu lassen, stigmatisiert sie und macht aus ihnen Präventions- und Therapieverweigerer mit entsprechenden Folgeproblemen und Folgekosten. Die Macht des Wortes kann auch zerstören. Wie am Wort „Schulung“ zu sehen ist, das als Präventionsmaßnahme eine Bedeutungsverschlechterung in Richtung Diskriminierung erfahren hat. Studien haben bestätigt, dass Alkoholkranke, Raucher oder jemand mit zu viel Cholesterin sich nicht gern blöd anreden oder in eine „Schulung stecken“ lässt. Wir könnten Worte wie dieses aus der medizinischen Terminologie streichen, ohne dass uns viel abginge. Also Maßnahmen umformulieren und neu definieren statt nur umzudenken, um so den Paradigmenwechsel in der Prävention weiter voran zu treiben.

billrothhaus.at gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention lädt zur Veranstaltung „Fisch ist nicht Fisch und Fleisch ist nicht Fleisch“ am Mittwoch 29. Oktober 2014, 19.00 Uhr s.t. Damit soll eine Veranstaltungsreihe zu präventivmedizinischen Schwerpunkten weiter fortgesetzt werden. Veranstaltungsteaser öffnen >>

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Univ.-Prof. Dr. Franz Kainberger

Text:
Univ.-Prof. Dr. Franz Kainberger
(Präsident der Gesellschaft der Ärzte)

Der Beitrag ist die persönliche Meinung des Autors!