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Medizinerausbildung ist milliardenteurer Luxus, Gesellschaft der Ärzte

Medizinerausbildung ist milliardenteurer Luxus

Nach der gerade veröffentlichten Studie des Wissenschaftsministeriums über die Berufssituation junger Ärztinnen und Ärzte in Österreich in den Jahren 2011 – 2013 erfahren wir es nun schriftlich:
79 % der Deutschen und 56 % der übrigen Ausländer verlassen nach Beendigung ihres Medizinstudiums unser Land. Damit haben wir schriftlich, was vor etwa sechs Jahren der damalige Wissenschaftsminister Hahn mit der EU ausverhandelte, nämlich dass in Österreich ein Ärztemangel droht, wenn man keine Quotenregelung für die Zulassung inländischer Studierender einführt. Allerdings sind mindestens zwei Fragen offen:

Die Studie beantwortet nicht, wie viele Inländer unser Land verlassen. Von Studierendenvertretern ist zu hören, dass es heute zum guten Ton gehört, einen Job im Ausland anzustreben. In dieser psychologischen Situation hilft es wenig, zu behaupten, dass die miserable Turnusausbildung durch ein neues Basisjahr ersetzt wird. Diese Maßnahme kommt zu spät und andere offene Fragen, vor allem das Gehalt, werden weiterhin unter den Teppich gekehrt. Solange in Salzburg ein Oberarzt in den Landeskliniken um ein Jahresgehalt von 43 000 Euro und sein Pendant im Unfallkrankenhaus um 94 000 Euro arbeiten, werden unzufriedene Jungärzte emigrieren.

Zweitens: die Studie beantwortet nicht die Trendentwicklung. Denn der allgemeine Wille, im Ausland zu arbeiten, nimmt angesichts der dort immer attraktiveren Angebote von Jahr zu Jahr zu. Während sich im österreichischen Kompetenz- und Interessenwirrwarr konstruktive Lösungen nur in Ansätzen abzeichnen. So schön kann unsere herrliche Berg- und Seenlandschaft gar nicht sein, um die miesen Arbeitsbedingungen auszugleichen. Eine Trendumkehr, die immer stärker steigende Zahl an Ärzteemigranten in eine Sinkkurve umzuwandeln, lässt sich so nicht erreichen.

Wir leisten uns den Luxus, junge Ärztinnen und Ärzte fürs Ausland teuer auszubilden. Die Qualität der Medizinstudien an Österreichs Universitäten ist einer der Gründe, warum sie so gefragt sind. Besonders in westlichen Bundesländern mit Nähe zu Deutschland ist dies krass zu beobachten: Jemand, sagen wir aus Baden-Württemberg, studiert bei uns. Dabei macht er die Famulatur in Baden-Württemberg, später auch die Spitalspraktika und teilt sich insgesamt seine Lehrveranstaltungen so ein, dass er de facto etwa ein Viertel der Studienzeit völlig legal in seiner Heimat verbringt, wo er immer schon arbeiten wollte. Dabei kann unsere betroffene Universität noch froh sein. Denn würde sie ihn die vollen sechs Jahre in Österreich halten, wären seine Ausbildungskosten noch höher, die sie ins Sponsoring einer Arztstelle in Baden-Württemberg investiert. Nach den jüngst veröffentlichten Zahlen der Ärztekammer verliert der Steuerzahler pro abhanden gekommenem Arzt 400.000,- Euro, die seine Ausbildung gekostet hat. In Summe wandert so ein Milliardenbetrag ins Ausland.

In dieser Entwicklung liegt aber auch eine enorme Chance: nämlich die gute prägraduelle universitäre Ausbildung auch in die postgraduellen Facharztausbildung zu übertragen. Die neue Unterrichtsform des klinisch-praktischen Jahres für Studierende ist nach ersten noch nicht publizierten Daten von breiter Zufriedenheit getragen. In diesen Lösungsvorschlag zu inkludieren wäre auch eine straffe Budgetplanung, um die ins Ausland abwandernde Milliarde für die Bezahlung inländischer Studierender und Ärzte sinnvoll einzusetzen.

Eigentlich sollte die jetzt veröffentlichte ministerielle Studie das Verhandlungsergebnis des damaligen Ministers Hahn belegen. Wenn wir so weitermachen, könnte sie das Gegenteil bewirken. Nämlich die Erkenntnis, dass nicht die Zulassung der Grund für den hierzulande entstehenden Ärztemangel ist, sondern die Kluft zwischen gutem Studium und schlechten Arbeitsbedingungen danach.

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Univ.-Prof. Dr. Franz Kainberger

12.12.2014

Text:

Univ.-Prof. Dr. Franz Kainberger
(Präsident der Gesellschaft der Ärzte)

Der Beitrag ist die persönliche Meinung des Autors!