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Ueber Agglutinationserscheinungen normalen menschlichen Blutes, Gesellschaft der Ärzte

Aus dem pathologisch-anatomischen Institute in Wien.

1901

Von Dr. Karl Landsteiner, Assistenten am pathologisch-anatomischen Institute.

Vor einiger Zeit habe ich beobachtet und mitgetheilt, dass öfters Blutserum von normalen Menschen rothe Blutkörperchen anderer gesunder Individuen zu verklumpen im Stande ist. Ich hatte damals den Eindruck, dass in manchen Krankheitsfällen diese verklumpende Eigenschaft des Blutserums fremden Blutkörperchen gegenüber besonders deutlich wäre und meinte, dass sie mit dem von M a r a g l i a n o viel früher beobachteten starken Lösungsvermögen pathologischer Sera für normale Körperchen in Zusammenhang sein könne, da ja Agglutinations- und Lösungsvermögen häufig, wenn auch nicht immer, parallel sich ändern. Gegen die Gleichsetzung der Reactionen von M a r a g l i a n o mit dem jetzt so häufig untersuchten hämolytischen Reactionen der Blutsera spricht der Umstand, dass zwar nicht Erwärmen, wohl aber Zusatz von Kochsalz bis zu einem Gehalt, der dem normalen gleichkommt, das Lösungsvermögen der Sera aufhebt. M a r a g l i a n o selbst unterscheidet seine Beobachtung von der Erscheinung von L a n d o i s – der Hämolyse durch artfremdes Serum, dadurch – dass in seinem Fall das Hämoglobin nicht nur gelöst, sondern auch zerstört wird. Ein wesentlicher Unterschied meiner Beobachtung und der von M a r a g l i a n o besteht darin, dass im Falle von M a r a g l i a n o das Serum auch auf die Körperchen, die vom selben Individuum stammen, wirkt und dass seine Reaction nur mit krankhaftem Blut gelingt. Meine Beobachtung zeigte aber gerade Unterschiede recht sinnfälliger Art zwischen Blutserum und Körperchen verschiedener anscheinend völlig gesunder Menschen.

Die Beobachtung von S h a t t o c k gehört dagegen nach der Beschreibung und Abbildung des Autors zweifellos hieher, wenn er auch die Reaction nur bei fieberhaften Krankheiten nachweist und sie bei normalem Blut vermisst. S h a t t o c k bringt die Reaction zur vermehrten Gerinnbarkeit und Geldrollenbildung des Fieberblutes in Beziehung.

Die hier weiter zu erörternde Verklumpung des menschlichen Blutes durch menschliches Serum ist nach der Bezeichnungsweise von E h r l i c h und M o r g e n r o t h als Isoagglutination zu bezeichnen. Diese beiden Forscher beschrieben kurze Zeit nach meiner Mittheilung Versuche, in denen es ihnen gelungen war, durch Injection von artgleichem Blut Isolysine und Isoagglutinine, d. h. auf Körperchen der gleichen Species wirkende Sera herzustellen. Diese sehr eingehenden Versuche bestätigen wegen der Verschiedenheit der Verhältnisse bei den einzelnen Versuchsthieren das nicht vorausgesetzte Vorkommen deutlich nachweisbarer Blutunterschiede innerhalb einer Thierart.

In der Arbeit von E h r l i c h und M o r g e n r o t h sind die Erscheinungen der Isolyse einer genauen Besprechnung vom Standpunkte der E h r l i c h´ schen Theorie unterzogen.

Mit dem Verhalten der Isoagglutination beim Menschen beschäftigten sich seit den Mitheilungen von S h a t t o c k und mir eine Anzahl von Untersuchern. Die Beurtheilung derjenigen Arbeiten, die die Reaction als specifisch für eine bestimmte Krankheit ansehen, ergibt sich von selbst aus ihrem Vorkommen bei Gesunden. Andere Arbeiten verzeichneten Beobachtungen über die Intensität und Häufigkeit der Reaction in Krankheitsfällen.

D o n a t h fand bei verschiedenen Formen der Anämie die Erscheinung häufiger als bei Gesunden, aber nicht jedes Mal. A s c o l i beobachtete die Erscheinung bei Gesunden, bei Kranken aber in grösserer Intensität. E i s e n b e r g machte Untersuchungen an Gesunden und Kranken. Er erhielt, wie andere Autoren, das Resultat, dass die Reaction häufig bei Kranken, bei Gesunden nur ausnahmsweise vorkomme. Dieses Ergebniss widerspricht meinen Angaben.

Da ich mich in der erwähnten Mittheilung sehr kurz gefasst hatte, führe ich im Folgenden an, was einige in letzter Zeit ausgeführte Versuche ergaben. Die Tabellen sind ohne Weiteres verständlich. Es wurden ungefähr gleiche Quantitäten Serum und ganz ungefähr 5% Blutaufschwemmung in 0,6%ige Kochsalzlösung gemischt und im hängenden Tropfen oder im Reagenzglas beobachtet (das Pluszeichen bedeutet Agglutination).

Tabelle 1, 2

Tabelle 3

Eine vierte ähnliche Tabelle, betreffend die Sera von Tabelle II, combinirt mit den Körperchen von Tabelle I und einige andere geprüfte Sera, z. B. von zwei Kranken mit Hämophilie und Purpura, zeigte vollkommen entsprechende Regelmässigkeiten und konnte deshalb ausbleiben. Bei der Untersuchung von zehn anderen normalen Personen (bei 42 Combinationen derselben) fanden sich ähnliche Verhältnisse.

Die Versuche lehren, dass meine Angaben keiner Correctur bedurften. Alle 22 untersuchten Sera von gesunden Erwachsenen gaben die Reaction. Das Ergebniss wäre offenbar ein anderes, hätte ich zur Prüfung nicht eine Anzahl verschiedener Blutkörperchen verwendet.

Auf eine verschiedene Resistenz der Blutkörperchen der Reaction gegenüber wurde schon von H a l b a n, A s c o l i und zuletzt E i s e n b e r g aufmerksam gemacht. Sie zeigt sich auch in den angeführten Tabellen. Ausserdem ergab sich aber eine merkwürdige Regelmässigkeit in dem Verhalten der untersuchten 22 Blutproben. Wenn man von einigen Untersuchungen von Blutserum fötalen Placentarblutes absieht, das keine Agglutination hervorrief - auch H a l b a n fand das fötale Blut seltener agglutinirend – so liessen sich die Sera in den meisten Fällen in drei Gruppen eintheilen:

In einer Anzahl von Fällen (Gruppe A) reagiert das Serum auf die Körperchen einer anderen Gruppe (B), nicht aber auf die der Gruppe A, während wieder die Körperchen A vom Serum B in gleicher Weise beeinflusst werden. In der dritten Gruppe (C) agglutinirt das Serum die Körperchen von A und B, während die Körperchen C durch die Sera von A und B nicht beeinflusst werden.

Man kann der üblichen Ausdrucksweise zufolge sagen, dass in diesen Fällen zumindestens zwei verschiedene Arten von Agglutininen vorhanden sind, die einen in A, die anderen in B, beide zusammen in C. die Körperchen sind für die Agglutinine, die sich im selben Serum befinden, naturgemäss als unempfindlich anzusehen.

Es ist nicht zu leugnen, dass die Behauptung des Vorkommens von wenigen verschiedenen Agglutininen bei den untersuchten Fällen recht merkwürdig klingt, wenn sich auch in den Versuchen von E h r l i c h und M o r g e n r o t h über Isolysine einigermassen ähnliche Verhältnisse ergeben haben, und dass es befriedigender wäre, durch fortgesetzte Beobachtungen eine andere Deutung zu finden.

Es ist nun nahegelegt, in pathologischen Fällen auf diese Regelmässigkeiten zu achten.

Die Entstehung von Agglutininen führt E i s e n b e r g auf die Resorption von Bestandteilen rother Blutkörperchen zurück. Die Idee ist durchaus nicht neu, sie wurde schon von H a l b a n und A s c o l i als eine mögliche Lösung hingestellt. Ich habe seinerzeit diese Erklärung nicht angeführt, weil es mir nicht gelungen war, Thieren durch Injection der eigenen gelösten Blutkörperchen die Fähigkeit der Autoagglutination beizubringen.

Wie ich glaube, berichtet auch E h r l i c h nicht über positive Resultate in dieser Richtung; A s c o l i allerdings hat positive, aber nicht constante Ergebnisse. Auf die Schwierigkeiten der erwähnten Auffassung weist H a l b a n hin. Namentlich müsste man darnach vielleicht die Entstehung der natürlich vorkommenden Hämagglutinine und der auf Bacterien wirkenden normalen Agglutinine in verschiedener Weise erklären.

Es zeigt sich aber in meinen Versuchen ausserdem, dass die verschiedenen Sera in Bezug auf die Agglutination nicht identisch wirken. Glaubt man also, dass sie ihre Agglutinationsfähigkeit einer Art von Autoimmunisirung durch Resorption von Zellbestandtheilen verdanken, so muss man doch wieder individuelle Differenzen voraussetzen, um zu den verschiedenen Seris zu gelangen. Thatsächlich verhalten sich ja auch die Blutkörperchen verschieden, schon im fötalen Blute (siehe Tabelle III). Verschiedenheiten der Sera oder Körperchen vorausgesetzt kann man aber innerhalb der Species die Agglutination mit derselben Leichtigkeit oder Schwierigkeit verstehen, wie die durch artfremdes Serum. Trotzdem kann die eben erörterte Erklärung keineswegs ausgeschlossen werden, ja sie ist, wenn die nicht widerlegten Versuche A s c o l i' s zu Recht bestehen, schwer zu umgehen und man müsste dann im Allgemeinen den physiologischen Zerfall der Körpergewebe als eine Quelle der Entstehung wirksamer Serumstoffe ansehen.

Um die Ansicht auszuschliessen, dass etwa überstandene krankhafte Processe von Belang, hielte ich Untersuchungen an kindlichem und thierischen Blute für verwerthbar. H a l b a n´s Versuche sprechen gegen einen solchen Zusammenhang.

Die beschriebene Agglutination lässt sich auch mit solchem Serum hervorrufen, das man eintrocknet und dann gleich auflöst; sie gelang mir auch noch mit der Lösung eines 14 Tage lang aufbewahrten, auf Leinwand eingetrockneten Bluttropfens. Es ist also möglicher Weise die Reaction in manchen Fällen zur Identificirung, oder besser gesagt, zur Erkennung der Nichtidentität von Blutproben, etwa zu forensischen Zwecken geeignet, wenn sich nicht, was möglich ist, rasche Schwankungen der agglutinirenden Eigenschaft herausstellen, die diese Anwendung verhindern. Allerdings zeigten die sechs Sera der Tabelle I bei einer zweiten Probe dasselbe Verhalten, wie die neun Tage vorher entnommenen Proben.

Endlich sei noch erwähnt, dass die angeführten Beobachtungen die wechselnden Folgen therapeutischer Menschenbluttransfusionen zu erklären gestatten.