Sigmund Freud 6. Mai 1856, Freiberg, Mähren – 23. September 1939, London
Sigmund Freud hatte sein Studium an der medizinischen Fakultät mit der Promotion zum Dr. med. 1881 abgeschlossen und widmete sich bald eingehend der Erforschung des Nervensystems, auch während er als Sekundararzt in verschiedenen Abteilungen des Allgemeinen Krankenhauses in Wien tätig war. 1885 folgte die Habilitierung für Neuropathologie. 1902 wurde Sigmund Freud der Titel eines außerordentlichen Professors verliehen, 1919 folgte die Ernennung zum ordentlichen Titularprofessor. Seiner Lehrtätigkeit ging Freud bis 1934 nach. Sigmund Freud kann ohne Zweifel als der berühmteste Absolvent der medizinischen Fakultät bezeichnet werden. Als Begründer der Psychoanalyse brachte er als erster Theorien zu unbewussten seelischen Vorgängen, etwa den Trieben, und deren Bedeutung für das menschliche Verhalten auf. Seine Werke „Die Traumdeutung“, „Totem und Tabu“, „Das Ich und das Es“ und „Das Unbehagen in der Kultur“ wurden weltberühmt und werden bis heute gelesen und rezipiert. Seine Theorien waren jedoch auch heftig umstritten und wurden von vielen Seiten kritisiert. Mit dem „Anschluss“ nahmen die Angriffe auch auf die Familie Freud zu. Die Psychoanalyse als Theorie, aber auch die Psychoanalytische Vereinigung, die von Freud herausgegebene „Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse“ und seine Bücher waren Angriffsflächen für den nationalsozialistischen Terror. Am 15. März 1938 durchsuchte die Polizei die Wohnung, Anna Freud wurde kurz darauf von der Gestapo verhört. Die Familie Freud flüchtete mit der Hilfe einflussreicher Freunde nach England. Die „Reichsfluchtsteuer“ belief sich auf fast ein Drittel des gesamten Vermögens. Der Hausstand der Familie und die Praxiseinrichtung mussten eingelagert und zurückgelassen werden. Vier Schwestern Sigmund Freuds blieben in Wien zurück. Sie alle starben in Konzentrationslagern.
Freud wurde 1887 als Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien aufgenommen. Seit 1931 war er schließlich Ehrenmitglied. Seiner Aufnahme war sein vor der Gesellschaft der Ärzte am 15. Oktober 1886 gehaltener, berühmt gewordener Vortrag „Über männliche Hysterie“ vorausgegangen. Der Inhalt des Vortrags löste einen heftigen Streit in der Sitzung aus. Freuds Lehrer Theodor Meynert (1833–1892), Hirnanatom, Professor für Psychiatrie und Vizepräsident der Gesellschaft der Ärzte, übte besonders scharfe Kritik.
Text: Josef Hlade und nach Gedenkbuch Josephinum
Josef Hlade: Theodor Meynerts (1833–1892) Physikalisierung des Ich: Die Zweite Wiener Medizinische Schule und die österreichische Philosophie. Würzburg: K & N 2022, S. 25–29; Josef Hlade, „Geschichte der Gesellschaft der Ärzte in Wien: Die kritischen Jahre 1930 bis
1960“, Isidor Fischer, Geschichte der Gesellschaft der Ärzte in Wien. Wien: Springer, 1938, S. 134
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