Nachruf Univ. Prof. Dr. Eduard Gitsch (*3.8.1920 - †19.5.2013)
Frägt man seine Schüler, was sie mit dem Namen Ihres Lehrers, H. Prof. Gitsch verbinden, so ist die spontane Antwort meist die gleiche: er war ein Humanist. Und das in einer Zeit, die man retrospektiv erst jetzt als Umbruchperiode der Hochschulen wahrnimmt: Die omnipotenten Ordinarii der Nachkriegszeit mussten peu a peu ihr alleiniges Verfügungsrecht über Personal und Budget abgeben, der Demokratisierungsprozeß machte auch vor den Universitäten nicht halt, das Mitspracherecht aller, die auf Hochschulen arbeiten, wurde zur Herausforderung, denen manche akademischen Lehrer nicht wirklich gewachsen waren. An Herrn Prof. Gitsch konnte man bewundern, wie er – obwohl selbst aus einer anderen Zeit stammend – die Zeichen der neuen Geistigkeit erkannte und in einer weisen Führung das Alte und das Neue zusammenfügte, ohne Traumen entstehen zu lassen. Und dies war auch die Erklärung, warum das atmosphärische Klima in seiner Klinik nicht nur gut, sondern beispielgebend war; dieses Erbe haben seine Schüler – und auch das erkennt man jetzt erst fragmentarisch – die später selbst zu Leitungspositionen aufstiegen als Vermächtnis bewahrt, es selbst praktiziert und das atmet man noch heute, wenn man durch die inzwischen neu strukturierte Frauenklinik geht. Die persönliche Entfaltungsmöglichkeit eines jeden wurde mit der akademischen Verpflichtung, Höchstleistung auf dem Gebiet der Wissenschaft, der Lehre und der Patientinbetreuung zu erbringen, gepaart – und diese Geistigkeit wirkt auch heute noch nach. Seine zutiefst humane Lebenssicht nährte er einerseits aus seiner persönlichen Weltanschauung, über die er die Dinge des Lebens interpretierte, andererseits aber auch aus einer von Krieg und Bedrohung gekennnnzeichnete Studienzeit.
Eduard Gitsch war der Sohn des Juristen Wilhelm Max Gitsch und seiner Frau Maria. Er studierte an der medizinischen Fakultät der Universität Wien, wo er mit kriegsbedingten Unterbrechungen 1944 zum Doktor der gesamten Heilkunde promoviert wurde. Nach Militärdienst und Kriegsgefangenschaft im Zweiten Weltkrieg kehrte er im August 1945 heim und begann nach Absolvierung der Turnusausbildung an der II. Universitätsfrauenklinik in Wien, jener renommierten Klinik, an der einst Ernst Wertheim wirkte, seine Ausbildung zum Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe. Dort wurde er 1955 Hochschulassistent und nach Forschungsaufenthalten an der Duke- und Harvard-Universität erfolgte 1959 die Habilitation. 1966 wurde Eduard Gitsch zum a.o. Universitätsprofessor ernannt und schließlich 1968 zum Ordinarius der I. Universitätsfrauenklinik in Wien berufen. Diesen Lehrstuhl hatte Eduard Gitsch bis zum 1. November 1990 inne. In dieser Zeit widmete er sich neben der Förderung des Gesamtfaches Gynäkologie und Geburtshilfe und seinen sich entwickelnden Subdisziplinen besonders der operativen Behandlung weiblicher Genitalkarzinome in der Tradition Friedrich Schautas, der einer seiner frühen Vorgänger als Ordinarius der I. Universitäts-frauenklinik war. Nach seiner Emeritierung engagierte sich Gitsch als Vizepräsident (1990–1995) und Präsident (1996–2001) des Rudolfinervereines - Rotes Kreuz für zahlreiche bauliche und medizinische Verbesserungen im Bereich des Privatkrankenhauses Rudolfinerhaus im 19. Wiener Gemeindebezirk. Für seine Verdienste um Rudolfinerverein und Rudolfinerhaus wurde Eduard Gitsch 2002 zum Ehrenpräsidenten ernannt.
Eduard Gitsch verfasste über 300 Publikationen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften, davon sind 211 in der PubMed Meta-Datenbank erfasst, weiter zahlreiche Buchbeiträge Monographien und einen in mehrere Sprachen übersetzten Operationsatlas.
Gitsch war mehrfach Präsident der Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, darüber hinaus machten ihn mehrere internationale Gesellschaften für Gynäkologie und Geburtshilfe zum Ehrenmitglied, darunter die polnische, italienische und ungarische. Er war Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, Königlichen Akademie voor Geneeskunde van Belgiè und der New York Academy of Sciences. 1990 erhielt Gitsch den Kardinal-Innitzer Preis zur Förderung der Wissenschaft.
Neben diesen Eckdaten, hinter denen sich unzählige Details, wie sie das Leben hervorbringt, verbergen, erkannte Prof. Gitsch die neuen, für unser Fach wichtigen Entwicklungen, denen er Rechnung trug und damit – seiner Zeit vorausseiend – dem Fach entscheidende Perspektiven gab. In einer noch sehr mechanistischen Periode des gynäkologischen Faches etablierte er ein Hormonlabor und schuf damit die Möglichkeiten einer endokrinologischen Forschung - viele damals gerade in der Entstehung befindlichen Kontrazeptiva wurden von Wien aus mitentwickelt. Gegen den Widerstand der eigenen Berater förderte er die artifizielle Reproduktionsmedizin, die weltweit erste ICSI fand auf seiner Klinik statt. Die Tradition des vaginalen Operationszuganges wurde von ihm gepflegt – und selbst im Zeitalter der Endoskopie kann man ihm nur danken, dass er diese operative Geschicklichkeit in Wien bewahrt hat. In seine Zeit fiel auch die Implimentierung der Prostaglandine in die Geburtshilfe – zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten sind damals aus seiner Klinik in dieser Thematik herausgegangen.
Seine Schüler wissen, was sie in Prof. Gitsch als Lehrer, Vorbild und Mensch hatten, und dieses Bild werden sie in ihrem Herzen weitertragen.