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„Jetzt gehen sie weg, jetzt gehen sie in Scharen,“ die jungen Ärztinnen und Ärzte., Gesellschaft der Ärzte

„Jetzt gehen sie weg, jetzt gehen sie in Scharen,“ die jungen Ärztinnen und Ärzte.


Schöner als mit diesem Satz im Blog von Thomas Szekeres, Präsident der Wiener Ärztekammer, kann man es nicht ausdrücken. Es schwingt Wehmut mit, gepaart mit der Erkenntnis, dass man Reisende ziehen lassen soll, und die Frage, ob sie eines Tages wiederkommen werden.
Die Insider im Gesundheitswesen wissen, was uns durch Statistiken bald bestätigt werden wird: Österreich ist mit einer noch nie dagewesenen Emigrationswelle junger Ärztinnen und Ärzte konfrontiert. Auch wenn jetzt alle überrascht sind, zeichnet sie sich seit einigen Jahren ab. In einzelnen Bereichen wird sie bewusst gefördert, in anderen mehr oder weniger erfolglos gebremst. Und sie ist Teil einer europaweiten Migration im Gesundheitswesen. Wie es Karin Gutierrez-Lobos, die Vizerektorin der MedUni Wien, in einem Interview mit der „Presse“ zusammengefasst hat: „Wir haben nicht einen Ärztemangel, sondern ein Verteilungsproblem.“
Die Entwicklung läuft für Österreich derzeit schlecht, weil eine Bündelung der großen, die Migration anheizenden Kräfte nur zaghaft erfolgt. Da sind einmal die Medizinuniversitäten: sie haben sich, vor allem in Wien und in Salzburg, aus der kaiserlichen Studienordnung befreit und moderne Curricula eingeführt, bilden erfolgreich international gesuchte Ärzte aus. Dann die Ärztekammern, die standespolitisch kämpfen, mit überschaubarem Erfolg. Denn die Krankenkassen – und jetzt wird das Sprichwörtliche allmählich Realität – sparen das System kaputt. Schließlich die Krankenanstaltenträger, das sind meist die Bundesländer: Sie haben, außer in Kärnten, Ordnung in den Wildwuchs an kleinen und kleinsten Spitälern gebracht, aber sie denken nicht in Kategorien der Patientenbehandlung, sondern in denen von Wählerstimmen und politischer Farbenlehre.
Um den gewaltigen Braindrain in der ärztlichen Versorgung aufzuhalten, bieten sich zwei Lösungswege an: Erstens bessere Bezahlung der Ärzte und bessere Arbeitsbedingungen. Arztehefrauen bzw. – ehemänner wissen es am besten: dieser Berufsstand wird seit Jahren ausgebeutet. Zweitens: Die Universitäten müssen ihren Weg konsequent weitergehen, indem sie das, was man Lerneffizienz nennt, weiter steigern. Und mit dem Klinisch-praktischen Jahr (KPJ) die hoch motivierten Studierenden quasi als ihre Botschafter ins marode Gesundheitssystem entsenden. Klingt utopisch, diese Humanressource ist aber unser größtes Asset.
Wenn sich jemand findet, der mit ruhiger Hand die Prozesse politisch steuert, könnte Österreich bereits in naher Zukunft ein Gesundheitsparadies sein. Gio Hahn in seiner Zeit als Wissenschaftsminister hat gezeigt, wie das geht. Mit einer Ausnahmeregelung für die Zulassung zum Medizinstudium ist er erfolgreich gegen den großen EU-Strom geschwommen.

Im Billrothhaus wird im Herbst gemeinsam mit der Initiative junger Mediziner www.nextdoc.at ein Diskussionsabend zum Thema stattfinden. Näheres unter www.billrothhaus.at.

Post Scriptum zur eingangs gestellten Frage: Werden die emigrierten Ärzte zurückkehren? Die große Mehrzahl wohl nur wochenweise, um in ihrer schönen Heimat Urlaub zu machen. Denn verglichen mit Deutschland ist das ärztliche Einkommen bei uns um etwa ein Drittel niedriger, die Arbeitsbedingungen signifikant schlechter, die Wertschätzung in der Bevölkerung geringer, die Wohnungen gleich teuer und das, was man beim „Hofer“ einkauft, teurer als die identen Produkte beim „Aldi“. Daher: Das Problem der Ärzteemigration ist noch viel komplexer. Auf der Strecke bleiben bei gesundheitspolitischen Fragen und auch in diesem Fall letztendlich immer die Schwächsten und das sind immer die Patienten.

Univ.-Prof. Dr. Franz Kainberger

Text:
Univ.-Prof. Dr. Franz Kainberger
(Präsident der Gesellschaft der Ärzte)