Die Präsidenten der Gesellschaft der Ärzte in Wien (Teil 8): Theodor Billroth (1829 – 1894)
Nachdem mit Heinrich Bamberger neuerlich ein Präsident sehr früh (nur zwei Jahre im Amt) verstorben war, wurde Anfang Dezember 1888 Theodor Billroth zum Präsidenten der „k. k. Gesellschaft der Ärzte in Wien“ gewählt. Zum Zeitpunkt seiner Wahl war dieser längst ein national wie international sehr hoch angesehener Chirurg.
Studium und Werdegang Der 1829 auf der Ostsee-Insel Rügen geborene Billroth studierte an den Universitäten Greifswald, Göttingen und Berlin Medizin (Promotion 1852). Nach einem knapp einjährigen Studienaufenthalt in Wien war er zwischen 1853 und 1860 Assistent von Bernhard von Langenbeck an der Charité zu Berlin, bei dem er sich 1856 auch habilitierte. 1860 nahm er eine Professur für Chirurgie an der Universität Zürich an. 1867 wurde er Ordinarius an der Universität Wien, nachdem er zuvor Berufungen nach Rostock und Heidelberg abgelehnt hatte.
Billroth leitete die II. Chirurgische Universitätsklinik in Wien 27 Jahre lang (1867–1894). Hier fanden seine bahnbrechenden operativen Neuerungen statt: 1871 die erste Ösophagektomie (Entfernung der Speiseröhre), 1874 gelang die erste Kehlkopfexstirpation und 1881 die erste erfolgreiche Magenresektion.
Paradigmenwechsel in der Chirurgie Billroth und seinen Schülern gelang damit ein Paradigmenwechsel in der Chirurgie: Den Krankheiten konnte nun erstmals auch im Inneren des Körpers mit dem Messer zu Leibe gerückt werden. Die Erfindung der Anästhesie hatte den Weg dafür freigemacht. Billroth führte die konsequente Asepsis durch „Reinlichkeit bis zur Ausschweifung“ ein. Bis heute gehören einige seiner Operationstechniken zum internationalen Standard in der Chirurgie. Seine chirurgischen Leistungen verliehen Billroth immenses Ansehen, manche Zeitgenossen schrieben ihm den Status eines „Heilands“ zu.
Billroths Schule bildende Methoden verbreiteten sich in den folgenden Jahrzehnten in ganz Europa und gaben wichtige Impulse für die operative Ausrichtung anderer Fachrichtungen, die sich teilweise aus der Chirurgie herausgebildet hatten. Neun seiner unmittelbaren Schüler wurden selbst Professoren der Chirurgie, darunter etwa Eiselsberg, Hochenegg, Gussenbauer, Gersuny und Winiwarter.
Billroth erkannte zudem, dass der Erfolg der Operation von einer qualitätsvollen Pflege danach abhing. Er war von der Wichtigkeit einer optimalen Krankenpflege überzeugt und gab wesentliche Anregungen für den Bau des Rudolfinerhauses und die Einrichtung der Schule für weltliche Krankenschwestern an diesem Haus, dessen Direktor er ab 1882 war.
Billroth als Präsident der Gesellschaft der Ärzte in Wien Seine Zeit als Präsident der Gesellschaft der Ärzte war insbesondere geprägt durch die rasche Realisierung des bereits einige Jahre existierenden Planes zur Schaffung eines eigenen Vereinshauses. 1890 rief er die Mitglieder der Gesellschaft dazu auf, Anteile des zu errichtenden Gesellschaftshauses zu erwerben, und steuerte persönlich eine Summe von 5.000 Gulden bei, so dass im September 1890 das Grundstück in der Frankgasse 8 angekauft werden konnte. Billroth engagierte sich mit zahlreichen Vorschlägen und Wünschen aktiv bei der Konzeption des Vereinshauses, insbesondere des großen Festsaales. Im Oktober 1893 eröffnete er das Gebäude, dessen 125-jähriges Bestehen im Rahmen einer feierlichen Sitzung am 17. Oktober 2018 gefeiert wird.
Schon zeitgenössisch sehr kontrovers aufgefasst wurden dagegen Billroths Ideen einer Reform des Medizinstudiums. In seinem Buch „Über das Lehren und Lernen der medicinischen Wissenschaften an den Universitäten der deutschen Nation“ (1876) vertrat er deutschnationale und antisemitischen Thesen. Er forderte ein Vorrecht der Deutschen und einen „Numerus clausus“ für jüdische Studenten an der Universität Wien. Billroth beförderte damit antisemitische Tendenzen unter den Studierenden.
Neben seiner ärztlichen Tätigkeit widmete er sich intensiv dem Musikleben und pflegte Freundschaften mit Künstlern wie Johannes Brahms. Im Februar 1894 verstarb Billroth in Abbazzia (heute: Opatija/Kroatien) an einem Herzleiden.